Camino Fernwanderungen

Camino im Frühsommer wäre wohl besser – Juni 2019

Als wir gestern in Castroverde angekommen sind, hat die Herberge vielversprechend ausgesehen – brandneu und sehr modern. Innendrin war die Anlage auch neu aber schweres, altes Denken verhindert Spass und Wachstum. Mit Wachstum meine ich definitiv nicht, dass man immer grösser werden muss. Mit Wachstum meine ich das «am Leben erhalten».

Das Zimmer ist zu klein für 18 Betten. Und die Betten waren so billig gebaut, dass alles wackelt, wenn die Person unten “abajo” ein- und ausatmet. Eine neue Erfahrung. Zu Essen gibt es in tourismusfremden Regionen – wie hier – nichts vor 20h30. Da kann man Pilger sein, so lange man will. Nada. Njente. Nix. Blöd daran ist nur, dass um 22h00 die Herberge schliesst. Also mussten wir im Fall von Castroverde einkaufen gehen und selber kochen. In dieser brandneuen Anlage gibt es genau eine Pfanne (es hätten maximal 36 Pilger Platz) und diese Pfanne war erst noch verbeult. Es gibt vier Teller, davon drei Suppenteller und drei Löffel, eine Gabel und ein Messer. Gläser gibt es keine, das sind leere Danone-Joghurt, die wir halt umfunktionieren. Zum Glück hat Peter beim Einkauf nach einem Flaschenöffner gefragt und prompt einen geschenkt bekommen. Die Nachfrage bei der signora, ob es denn noch mehr Geschirr gäbe, bekamen wir nur die Antwort, dass die «comuna» kein Geld habe. 

Unser Festmahl. Man beachte die luxuriösen Weingläser.

Dies hat dazu geführt, dass wir – schweizerisch wie wir halt sind – mal gerechnet haben. Also wenn die irgendwie ein bisschen cleverer wären oder schlauer, könnten sie aus dieser Herberge eine kleine feine Institution machen, welche mindestens 4 Menschen pro Jahr nährt. Mindestens. Und dabei müssten sie ganz einfach nur eine warme Mahlzeit anbieten, Getränke verkaufen und sonst gar nix. Warum die das nicht tun – keine Ahnung.

Wir hatten auf jeden Fall unseren Spass, mit so gar keinen Utensilien unserer Spaghetti, die Tomatensauce und das Fleisch zu kochen, sodass alles irgendwie miteinander noch warm ist. 

Die Herberge ist fast voll. Die anderen sind mit ganz wenigen Ausnahmen alles sehr junge Leute aus aller Welt. Wir staunen darüber, dass sie diesen Weg auf sich nehmen. Und – sie kochen: Frisches Gemüse, Fleisch und Salat. Und alle helfen sich. Es ist wunderbar, das zu sehen.

Eng, Voll. Lottrig. Trotzdem irgendwie halt Camino.

Wir starten heute wieder später, infolge Regen. Wer hätte das gedacht. Es war dann trocken, als wir starten, ABER – Mister Fog nebelte uns ein. Wir sehen nichts, nur Weg, Weg, Weg, Weg. Der Begriff «im Weg stehen» bekommt eine komplett neue Bedeutung für uns.

Kurzerhand entscheiden wir uns dafür, das zu fotografieren, was wir heute «Jöö» finden. Man muss sich zu helfen wissen. Zudem wäre es wohl definitiver gescheiter, man würde einen Camino im Frühsommer, also Juni oder so machen. Im Herbst mit so viel Nebel und Regen – das macht wenig Freude (das nennt man Ironie). *hahaha*

Vielleicht war es der Nebel oder unsere Gespräche, ich weiss es nicht. Auf einmal bin ich komplett in den Widerstand gerutscht. Alles tat weh, selbst der Rucksack konnte nichts mehr. Nicht nur die Zehen schmerzten, nein jetzt auch noch die Knie und ein leiser Windstoss ins Gesicht und ich fühlte mich persönlich angegriffen. Peter merkte das sofort, aber ich konnte nicht mal mir selber erklären, woher das kommt.

Mir geht es schon wieder besser … hatte einen üblen Shitstorm.

Ich brauchte eine Weile, um in mir irgendwo irgendwie die Antwort zu finden, was denn da los ist. Sie kam deutlich und heftig. Mein Inneres hat mit mir ganz arg geschimpft. Ich war meinem Körper gegenüber bis zum Jahre 2014 nicht wirklich liebevoll. Ich habe ihn ignoriert, ihm keine Wertschätzung gegeben, ihn ausgebeutet. Und heute, bzw. nach diesen Tagen habe ich wohl eine Schmerz-Grenze überschritten und deshalb war ich voll im Widerstand. Es braucht ein paar Minuten intensiver Gedankenarbeit, bis wir Frieden schliessen konnten. Und Peter? Er lies sunny days laufen, tanzte den Sonnentanz 2 und schob mir ein Stück Schokolade in den Mund. Und – er organisierte ein Hotelzimmer. Mit Badewanne. Ich freue mich darauf und lass es mir gut gehen. Versprochen.

Buen Camino


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