Fernwanderungen Via Francigena

Tag 16 – Zum Glück sind wir nicht auf Hochzeitsreise

Von Gambassi Terme nach San Gimignano – 13,9 km

Das Ostello Sigerico war ein voller Erfolg. Nachdem wir diese wunderbare Etappe von gestern etwas eingechillt haben, überfiel uns die Müdigkeit. Pünktlich wie immer wachte Peter auf und so starteten wir mit einem Riesenhunger das Essen pünktlich um 19h30. Wir waren 5 Pilgerinnen und 2 Pilger und wurden mit Pasta, Fleisch, Salat, Bruscetta und Früchten verköstigt. Bis auf Esther aus Genf (und wir beide) sind alle aus Italien, reden aber auch Englisch und so erlebten wir einen intensiven Austausch im Italian-English-Mix. Herrlich. Genau das vermissen wir in diesem Jahr, dass die Herbergen nicht voll oder geschlossen sind und die Nachtessen nicht an einem grossen Tisch stattfinden können. Umso mehr geniessen wir diesen Abend und fallen müde in unsere Betten im sicheren alten Steinhaus der Kirche. Draussen donnert und blitzt es – ich fühle mich sicher wie ein Kind in den Armen seiner Mutter.

Die heutige Etappe wird eine kurze sein. Oder doch nicht? Wir sind da noch nicht ganz sicher. Nach gestern scheint es uns schwer vorstellbar, dass die Toskana sich in einem noch schöneren Kleid präsentieren kann. Zum Glück werden wir eines Besseren belehrt. Es sind tausend Oohs und Aahs zu sehen, man könnte jede Minute stehen bleiben, staunen, fotografieren und filmen. Ich bin froh, bleibt Peter dauernd stehen (sollte er was anderes irgendwann und irgendwo behaupten – er lügt!), denn so kann sich mein ‘Tractus Iliotibialis’ gut einlaufen und die rechte Wade übernimmt nicht die ganze Arbeit.

Gambassi Terme ist ganz nett, klein fein und für uns das Tor zum Chianti. Ich schwöre, wir haben es echt versucht, in einer der vielen Azienda Agricola Wein zu degustieren. Leider sind alle – noch – geschlossen. Peter meint nur, ihm sei jetzt klar, weshalb im Reiseführer nur 13 km für diese Etappe vorgeschlagen werden. So könne man fleissig degustieren. Die Idee ist zwar gut, aber so im Rückblick, jetzt wo ich im Zimmer in San Gimignano sitze, wäre das eine sehr schlechte Idee gewesen.

Das Höhenprofil beweist, wir sind heute eigentlich nur aufwärts gelaufen. Man stelle sich vor, das macht man mit gehörig Chianti im Blut. Auweia.

Vorbei ein Einfahrten, die Villen dahinter vermuten, vorbei an Beweisen, dass die Schweizer Garde hier vorbeimarschiert ist zu ihrem 500-Jahr-Jubiläum, vorbei an Rosmarin-Sträuchern, die ganze Wege zäumen.

Hoch oben in Pancole wird es etwas ‘spooky’. Im Keller einer Kirche ist die ‘wahre Krippe’ mit lebensgrossen Figuren aufgebaut – na ja, Weihnachtsstimmung kommt da bei mir nicht auf. In der Kirche selber ist ein ganzer Bazar aufgebaut. In Selbstbedienung kann man seinen Lebensvorrat mit Rosenkränzen, Engeln und Bildern des Papstes abdecken.

In der Po-Ebene haben wir gestaunt, dass man nur Reis, Reis, Reis und nochmals Reis sieht. Und was sehen wir hier? Reben, Oliven, Reben, Oliven, Reben, Oliven. Aber eben – es ist halt die Toskana.

Der Weg ist WOW und selbst die letzten 2 Kilometer entlang der Strasse können daran nichts ändern. San Gimignano ist das Tagesziel gemäss Pilgerführer. Wir sind etwas geschockt, als wir ins Städtchen einlaufen. Alles voller Touristen. Irgendwie ist das so ‘unwürdig’ – aber, wir sind ja genau genommen einfach laufende Touristen. Wir suchen uns ein Ristorante, essen Pasta und sinnieren darüber, ob wir heute nun doch weiterlaufen sollen. So 5 – 10 Kilometer plus wären optimal. Der Weg ist dabei nicht das Problem sondern a) wo schlafen wir? b) kann man dort auch essen? und c) was kostet es?.

Jetzt kommt der Punkt mit der Hochzeitsreise. Hey Leute. Hier kann man ja exzellente Ferien machen in diesen Azienda Agricolas – ABER – das ist so richtig, richtig, richtig teuer. Wäre das unsere Hochzeitsreise – ok – ABER, es ist unsere Pilgerreise. Und zum Glück machen wir es nicht, denn dann …

Peter verlässt sich mal wieder auf seinen sechsten Sinn und sucht uns ein Zimmer in San Gimignano. Nicht mal 20 Schritte vom Ristorante entfernt geht es in eine übersehbare Türe hinein und wen finden wir da? Maurizio. Wie ein Wasserfall erzählt er uns dies und das über San Gimignano und wo wir essen sollen und zu gefühlt 75% verstehen wir, was er sagt und bedauern, was wir nicht verstehen.

Maurizio ist aus einer Pilgerfamilie und für ihn sind Pilger das Grösste. Er kennt alle Ostellos auf dem ganzen Weg und seine erste Frage ist, wo wir morgen Abend schlafen werden. In Monteriggioni! Zack, nimmt er sein Handy in die Hand ruft an und reserviert uns zwei Schlafplätze. Perfetto nenne ich das. Er fragt noch, ob wir italienisch verstehen, wir nicken und ergänzen noch, dass wir Anfänger sind. Er meint dann nur noch, wir seien definitiv keine Schweizer, denn Schweizer seinen nie so ‘simpatica’. Und – es sei noch ein anderer Pilger im Haus. Und siehe da. Einer unserer Weggefährten ist tatsächlich auch hier und wird ebenfalls morgen die knapp 32 km unter die Füsse nehmen.

Also hopp, ausruhen, mental vorbereiten und San Gimignano geniessen. Morgen geht es um 06h00 raus – es wird schön und warm und wir wollen ja nicht erst um 17h00 in Monteriggioni ankommen.

Buen Camino.


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