Fernwanderungen Via Francigena

Tag 17 – Der Regen kann uns mal

Von San Gimignano nach Monteriggioni, 31,9 km

Das touristische San Gimignano wurden genau noch das, was uns Stefan prophezeit hatte. „Ihr werdet sehen, San Gimignano ist wunderschön am Abend und am frühen Morgen, wenn die ganzen Touribusse nicht mehr da sind…“

Eigentlich wollten wir in ein Ristorante essen gehen, hängen geblieben sind wir in einer Enoteca und haben es uns richtig gut gehen lassen. Den Einkauf für den morgigen Tagesmarsch erledigten wir auch gleich hier. Die klitzekleine Rundtour in San Gimignano (wir wollen uns ja nicht übernehmen) war auch sehr schön und der Abschluss mit der Insalata Caprese war perfekt. Sehr wahrscheinlich ist uns auf dem Aussichtsturm eines der besten Bilder von uns gelungen. Jetzt aber los, ab ins Bett, morgen geht es früh raus.

Peter wäre gerne bereits um 06h00 los, aber es ist einfach zu dunkel. Also wurde es 07h20. Mein linker Oberschenkelmuskel hatte seine grosse Mühe, in Gang zu kommen. Was ich am frühen Morgen mache ist kriechen und nicht laufen. Herrjeh. Es sollen doch heute rund 32 km werden – wie kann das nur gut kommen?

Kaum sind wir aus der Stadt raus, empfängt uns die Natur mit diesem Schauspiel. Ich zweifle nicht mehr daran, dass der heutige Tag perfekt sein wird.

Im Pilgerführer steht, dass die heutige Etappe eine der schönsten werden wird. Mit der Erfahrung der letzten beiden Tage erwarten wir noch eine Steigerung des Ganzen. Der Autor hat scheinbar aber etwas ganz anderes gemeint. Nicht die Landschaft hat er gemeint, sondern den Weg selber.

Zu 90 % waren wir in Wäldern. Da waren nur Bäume, Vögel, unsere Schritte und der Wind – sonst nichts. Ausserhalb der Wälder hörten wir Hunde bellen (wie immer) und dieses Mal begrüssten uns zwei Schweine sehr stürmisch und auch eine Herde von Schafen kreuzte wieder unseren Weg. Dieses Mal aber mit Schäfer.

Wenn der Weg ein solches Höhenprofil hat, kann man nicht viele Gedanken darauf verschwenden, ob es einem gut geht oder nicht, ob irgend etwas dort oder an einem anderen Ort zwackt – man ist so auf den Weg und den sicheren Tritt fokussiert, dass dieses Laufen wie ein Netflix-Serienmarathon ist – man kann einfach nicht aufhören.

Nichtsdestotrotz tun die Pausen uns gut und wir sorgen uns liebevoll um unsere Füsse. Ich muss meine Socken wechseln, denn bei einem Übergang eines kleinen Miniflusses habe ich es geschafft, die Steine nicht zu treffen. Peter meinte nur: „Das hätte ich jetzt gerne gefilmt.“

Den ganzen Tag laufen wir irgendwie dem Regen davon. Vielleicht 10 Tropfen haben uns berührt – wir sind einfach zu schnell für italienische Wolken (hopp Schwiz). Die Wege in den Wäldern verraten uns, dass hier Unwetter gewütet haben. So einiges muss man sicherlich ganz neu machen, denn die wunderschönen Villen oben auf den Hügeln sind so nicht mehr erreichbar.

Unser Mittagessen geniessen wir an einer römischen Therme ausserhalb von Colle di Val d’Elsa. Peter hat es getestet, das Wasser war nicht wirklich sehr warm, aber irgend etwas muss hier sein. Unser Interesse liegt aber mehr auf dem feinen Schinken und Käse, den wir aus San Gimignano mitgebracht haben. Göttlich! Ausser das Brot, das ist hier in Italien so salzlos….

Ein ganz besonderes Erlebnis haben wir bei einer Wegscheide. Wir müssen entscheiden, ob wir über das Städtchen Colle di Val d’Elsa laufen sollen oder über Feld, Wald und Wiese. Die zweite Variante ist rund 4 km länger. Genau bei dieser Wegscheide legen wir eine Pause ein und treffen das italienische Pärchen, welches wir gestern bei der merkwürdigen Kirche in Pancole angetroffen haben. Die beiden sind etwa 40 Jahre alt und merkwürdig sind sie für uns gewesen, weil sie ALLEINE in die Kirche gegangen sind (die Kirche war absolut leer) und dafür extra eine Maske angezogen haben.

Also. Genau dieses Pärchen macht an dieser Wegscheide auch Pause und will gerade aufbrechen, als wir ankommen. Wir fragen sie, welchen Weg sie gehen und sie entscheiden sich für den Weg über das Städtchen. Das sei ein sehr schöner Ort hätten sie gehört und dort könnte man sicher noch etwas essen, trinken und anschauen. Wir haben darauf keinen Bock und entscheiden uns für Feld, Wald und Wiesen.

Mit einigen Kilometern in den Beinen stelle ich Peter die Frage: „Sag mal, kommen die beiden Wege wieder zusammen und wenn ja, wo kommen sie wieder zusammen?“ Peter weiss es nicht und uns beiden ist es schnurz, ob und wo. Nicht einmal 5 Minuten später laufen wir auf einen Kreisel zu. Wir kommen direkt aus einem Wald beim noblen Hotel Burgo San Luigi und wen sehen wir da? Aber auf die Sekunde genau treffen wir im Kreisel nach über 20 Kilometer wieder aufeinander: Das italienische Pärchen und wir. Müsste man so etwas timen, man würde es wohl kaum so genau schaffen.

Die Landschaft hat sich verändert, wir sind nicht mehr in dieser toskanischen Traumgegend. Trotz allem ist es auch hier sehr schön und wir freuen uns auf unsere Herberge in Monteriggioni. Maurizio hat gestern für uns hier reserviert. Die Wolken verheissen nichts Gutes. Es wäre schön, wenn uns der Regen nicht auf den letzten Höhenmetern doch noch erwischt.

Wir schaffen es! Durchgeschwitzt, müde und sehr durstig lassen wir uns auf einen Stuhl fallen, stürzen ein kaltes Bier hinunter und suchen die Herberge. Sie ist sehr, sehr einfach. Für eine Nacht aber ok. Morgen geht es nach Siena. Frisch geduscht machen wir jetzt uns auf die Socken – der Magen knurrt und planen den morgigen Tag.

Buen Camino


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