Camino Fernwanderungen

Tag 8 – Glaub ja nicht jeder Wettervorhersage

Von Ramallosa nach Vigo in 23,3 km

Was für ein Abend! Nachdem wir in der schönen Herberge unsere Betten bezogen haben, meldete sich der Hunger. Peter und ich waren schon ziemlich verzweifelt, als wir in Ramallosa nur Fastfood-Läden gefunden haben. Von Pizza-Hut über Burger zu Döner, die Palette war dafür ziemlich vollständig. Die Lust auf gutes Essen war aber so gross, dass wir einfach weiterliefern, also ich irgendwie so «humpelnd» und Peter quietschfidel. Seine Füsse sind ein Traum. Nix, nada – einfach nur schöne, gesunde Füsse. Meine Füsse sehen aus – ach, egal. Ich bin deshalb etwas «mad», denn die Geschichte vom letzten Jahr scheint sich zu wiederholen. Dafür, und das ist ein nicht hörbarer Trommelwirbel wert, haben wir gegessen wie die Fürsten. Direkt an der Einmündung zum Meer, super Qualität, einfach fantastisch. Ja, es hatte seinen Preis, doch jeder einzelne Cent und Euro war es wert.

Morgen müssen wir früh raus, denn wir wollen in der (EINZIGEN) Herberge in Vigo schlafen und man kann dort nicht reservieren. Uns verwundert das sehr, denn Vigo ist die grösste Stadt Galiziens. Peter verpflegt noch meine Füsse und ich frage mich, warum er dies alles mitmacht. Dieses «Theater» mit meinen Füssen! Dieses «nicht-einfach-frei-laufen-Können»? Ich frage ihn nicht, denn ich kenne seine Antwort inzwischen. Er würde mir sage, dass ich seine Frau bin, dass er mich liebt und er das mit mir zusammen durchstehen will und wird. Dass ich mir dessen grad wieder bewusstwerde, freut mich.

Die Wettervorhersage hatte die letzten Tage immer recht, aber wir wollten es einfach nicht glauben. Heute Morgen änderten wir unsere Strategie – wie glaubten den Vorhersagen und siehe da, sie waren nicht korrekt. Wir also voll und ganz in Regenmontur. Haha. Kurze Hosen hätten wir gebraucht, denn die Sonne zeigte sich. Das ist ja ganz was Neues. Einfach herrlich.

Der Weg heute war so ein «Peter-will-da-wieder-raus-Weg». Das bedeutet, man muss in eine grosse Stadt hineinlaufen, sprich durch viele Vororte einer grossen Stadt, um dann in der Stadt inmitten der Häuser, der Autos und der vielen Menschen die Herberge zu finden. Wenn Peter auf so einem Weg ist, dann hört er nichts mehr, dann springt er fast nur noch. Getrieben von dem Wunsch, ihm jetzt MEIN Verständnis entgegenzubringen, verfolge ich ihn wie so ein Wiesel, rechts, links, geradeaus, rechts, ah nein, doch links und lächle freundlich, wenn sein Kontrollblick nach hinten meine Anwesenheit checkt. Irgendwann melde ich regelmässig von hinten «Ich bin hinter dir», «Ich bin hinter dir».

Ganz zu Beginn der heutigen Etappe liefen wir durch kleine Dörfer, an und auf Sandstränden, alles war sehr ruhig und sehr schön. So ganz mein Ding. Später konnten wir im noblen Vorort von Vigo Villen bestaunen, da bleibt einem die Spucke weg. Da Peter bereits in seinem «Ich-muss-da-durch-Modus» war, klebte sein Blick nur noch auf dem Boden, während ich vom Staunen nicht mehr heraus kam. Etwa 5 Meter vor mir öffnete sich auf der linken Seite langsam ein weisses Tor, eingepackt in hohe weisse Mauern, dahinter lugte das Dach einer weissen grossen Villa hervor. Ich war exakt vor der Ausfahrt, als das Tor offen war und staunte nicht schlecht. Im Innenhof war alles weiss. Die Zufahrt zur Villa in weissen Steinplatten. Rechts und links weisse Abschrankungen aus milchweissem Glas. In der Mitte der Zufahrt gab es quadratische Grasabschnitte, perfekt zugeschnitten und sehr symetrisch angeordnet. Eine Frau, mit weissblondem, langem Haar sass am Steuer ihres weissen Audis und ich wusste nicht, ob ich nun stehen bleiben soll und ein Foto schiessen oder so tun, als würde mich das alles überhaupt nicht «oh-wow»-en. Ganz in schweizerischer Manier erfasste ich in wenigen Sekunden die ganzen «Wow’s» und staunte minutenlang in meinem Kopf weiter. Solche kleinen Erlebnisse sind sehr hilfreich, wenn die Füsse schmerzen. Es vergehen nämlich Minuten, ohne das Stechen wahrzunehmen.

Bei unserem ersten und einzigen Stopp heute in einem Café mache ich mich über Vigo schlau. Scheint eine sehr spannende Stadt zu sein vor allem in Bezug auf die Fischerei. Ich hoffe, wir können noch einen kleinen Ausflug zum Hafen machen, denn unsere Herberge liegt dafür sehr optimal.

Um 12h20 stehen wir vor der Herberge, sie ist geschlossen. Eine freundliche Dame öffnet und erklärt uns, dass es um 13h00 möglich ist, die Betten zu beziehen. Im Restaurant gleich nebendran gönnen wir uns einen Lunch und sind sehr happy, als wir einchecken dürfen. Was uns dann aber erwartet, ist krank. Eigentlich wollte ich mit diesem Weg auch der ganzen «Duweisstschonwasichmeine»-Sache aus dem Weg gehen. Und nein. Das gelingt ganz und gar nicht und soll wahrscheinlich auch so sein.

Kommt hinzu, dass in Spanien – im Moment- keine Maskentragpflicht im Freien besteht, wenn man sich bewegt. ABER. 99% tragen eine und die Menschen gehen uns aus dem Weg, drehen sich ab, als ob wir die Pest mitbringen würden. Ich kann mich sehr in Gelassenheit üben, in menschlichem Verständnis und würde im Gegenzug aber sehr gerne sämtliche Radiostationen und TV-Sender abschaffen. Wie kann man nur – egal – dieser Blogbeitrag soll nicht politisch sein. Ich sehe und staune. Punkt.

Langsam aber sicher verlassen wir die nächsten Tage die Küste immer mehr. Der Blick aufs Wasser wird bei der morgigen Route sicher noch da sein. Das Wetter wird gut, die kurzen Hosen sind parat und die Regenjacke habe ich bereits ganz tief im Rucksack verstaut. Heute Abend gibt es Paella. Darauf freue ich mich jetzt schon sehr.

Buen Camino.


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