Von Oia nach A Ramallosa in 23, 8 km
Etwas muss man den Spaniern echt lassen. Wenn in einem Dorf ein Restaurant einen Ruhetag einlegt, dann machen das alle anderen auch und zwar am genau gleichen Tag. Ist doch nur fair, wenn dann ein anderes Restaurant auch keinen Umsatz macht, oder?
Tja, dieser Umstand hat dazugeführt, dass Pilger Peter zum Koch Peter wurde. Und. Ich liebe es, wenn er mich bekocht. Zwar haben wir Eier und Parmesan vergessen, trotzdem haben die Spaghetti so was von nach Carbonara geschmeckt. ICH LIEBE ES! Sogar die Sonne hat gelacht.
In der schnuckeligen Herberge von Tracy ist fullhouse. Zuerst kam die Amerikanerin, gefolgt von Marc aus Holland und Jordan dem Autor aus Tag 2. Was für ein schönes Wiedersehen. Jordan wirkt sehr müde oder heruntergekämpft – beides sieht ziemlich gleich aus. Dann waren noch weitere Pilger/innen da, deren Namen oder Nationalitäten uns nicht bekannt sind. Tracy – unser Herbergsmami – ist vor drei Jahren aus Amerika hierher ausgewandert. Ihr Grund: Donald Trump. Die Idee finde ich gut, denn «Thank you Donald» gibt es hier eine richtig schöne Schlafstelle mit super Service (inklusive Tumbler)! Die anderen Pilger haben bei einem Lieferservice Fastfood bestellt, denn Tracy darf nicht kochen (wegen «Duweisstschonwasichmeine»). Ich bin richtig, richtig froh, dass Peter mein persönlicher Koch ist. Die Spaghetti sind ratzfatz gemampft und ab geht’s in Bett. Wir wollen morgen FRÜH aufstehen (als ob das was Neues wäre), denn wir werden eine Stadt weiterlaufen als die anderen.
Das erste, was ich am Morgen höre ist «Scheisse. Wir haben verpennt». Ich dachte, es wäre 9 oder 10 aber nein, es ist 7 Uhr. Halloohoo?!? In Windeseile pack ich meine letzten Sachen, stürze mich in meine Hose, stülpe mein Longsleeve (jaaaaaa, ich brauche das – und – ICH habe eins dabei) über und los geht’s. Wobei. Stopp. Podologe Peter muss noch ans Werk. Jaaaa. Leider, leider geht es meinen Füssen maximal mässig gut um nicht zu sagen schlecht. Es liegt somit definitiv nicht an zu kleinen Schuhen (das schon auch, aber nicht dieses Mal). Nach meinen Recherchen sollte ich 1. Wechselbäder machen (Durchblutung), 2. auf eine basische Nahrung setzen (Bläschen an der Fusssohle) und 3. atmungsaktive Schuhe tragen (Wärmeaustausch). Punkt 1 kann ich umgehend umsetzen, Punkt 2 wird hier schwierig und Punkt 3 habe ich ja. Wenn das so weitergeht, werde ich noch zum absoluten «Wie-kann-man-Blasen-vermeiden-Profi».
Der Start in den Tag ist somit heute etwas verspätet, dafür in der gleichen Konsequenz wie in den letzten Tagen: Frisch und fröhlich in den bedeckten, nebligen Morgen hinein. Seit gestern Abend denke und sage ich dazu nix mehr – es ist, wie es ist. Derweil erreichen uns hämische und freche Whatsapp aus der Schweiz mit viel Sonne und Badezeugsgehabe. Danke, Ihr seid wahre Freunde.
Die heutige Etappe ist ganz nach unserem Geschmack. Wir waren direkt am Meer, hatten einige Auf- und Abstiege, brauchten wieder mal das gesamte Lungenvolumen, haben alte Römerspuren entdeckt, pausierten drei Mal zum Frühstück, einer Kaffeepause und zum kleinen Lunch und waren praktisch schon am Ziel. Es lief einfach hervorragend. Am Ziel, in A Ramallosa angekommen, mussten wir noch warten, weil die Reception erst um 15 Uhr öffnete. Wir frieren, es ist kalt und sapperlott – wir sind doch in Spanien und es ist Sommer!
In der Zwischenzeit ist die Kälte schon fast wieder vergessen, denn die heiss geliebte Dusche war echt heiss und mein Körper ist wieder aufgewärmt.
Da es die letzten Tage schwierig war, Herbergen zu finden und zu buchen, plane ich mal die nächsten Tage und Etappen. Wenn alles rund läuft, dann regnet es morgen (echt wahr?), am Nachmittag hört es auf und ab Montag wird es schön. Und. Am Dienstag kommen wir in Santiago de Compostela an. Wow. Das sind nur noch 5 Tage. Ich bin sooo gespannt, was diese Ankunft mit mir macht. Eine wunderbare Erkenntnis habe ich auf jeden Fall schon mal in der Tasche oder im Herzen. Was mich aber besonders freut ist, dass ich den Botafumeiro mit gaaanz hoher Wahrscheinlichkeit erleben werde. Für alle, die davon noch nie etwas gehört haben,
hier ist ein Video auf Youtube dazu zu finden.
Sollte dies nicht klappen, dann hoffentlich am Sonntag, 1. August. Dann sind wir wieder in Santiago. Wir werden nämlich am Mittwoch von Santiago bis nach Fisterra (auf spanisch Finisterre) laufen zum Ende der Welt. Das sind nochmals 100 km und dann per Auto oder Bus zurück nach Santiago. Immer am Sonntag während der Messe gibt es während dem heiligen Jahr den Botafumeiro. Ohne dieses Erlebnis beende ich diesen Camino (hoffentlich) nicht.
Für morgen haben wir nichts gebucht. Wir laufen nach Vigo – eine Stadt mit rund 300’000 Einwohnern. In dieser grossen Stadt gibt es eine (bitte langsam aussprechen) einzige Herberge und gefühlt tausend Hotels. Betten in der Herberge kann man nicht reservieren – man kann nur früh genug dort sein. Und genau DAS ist ja unsere Spezialität (gell Peter). Somit probieren wir es einfach und falls es nicht klappen sollte, buchen wir irgendein Zimmer, in irgendeinem der gefühlt tausend Hotels.
Jetzt aber ab zum Essen. Peter hat gebucht. Wo, weiss ich nicht nur dass es leider keinen Sonnenuntergang zu bestaunen gibt.
Buen Camino.
Liebe Claudia
Ich lese sehr geene deine täglichen Erfahrungsberichte. Allerdings muss ich dich auch warnen. Der Jakobsweg ist weit mehr als eine Wander- und Plauschtour. Wenn du nicht wie tausende von Pilgern in S.de Compostela ankommen willst um eine unerklärliche innere Leere zu fühlen die viele depressiv macht und zun Weinen bringt in der Überzeugung «da war doch noch was…» musst du damit beginnen dir deinen Santiago zu entwickeln, der dich am Ziel emofängt und duch künftig begleiten wird. Viel Erfolg. Rolf
P.s. der Jakobsweg ist ein spiritueller Weg, ob du das glauben willst oder nicht, und er will seinen Tribut
Lieber Rolf
Es ist ja nicht der Erste und ich bin voll und ganz bei dir. Ich erlebe viele Menschen hier, die auf das Wunder in Santiago warten und dann kommt «nichts». Jeder Schritt, jede Freude, jedes Leid – alles was AUF dem Weg passiert, hat direkt mit mir zu tun. Und ja, dies bewusst anzunehmen und durchzuleben ist oft nicht «Friede-Freude-Eierkuchen». Ich danke dir für deine offenen Worte. Ich hoffe, du siehst, dass sie auf empfängliche Erde gefallen sind.