Von Angeiras nach Aver-o-Mar – 20 km
Die erste Etappe war ein guter Lehrmeister. Darum hiess es gestern Abend: a) früh ins Bett und b) keine Weinexzesse. Das kleine Hüttchen auf dem Campingplatz war eigentlich eine Sauna. Es war kaum auszuhalten, dabei haben wir das Ausruhen echt gebraucht. Also – SD (Insider wissen, was das heisst) – und etwas schlafen. Ich habe vergessen, wie herrlich das Duschen auf diesen Wegen ist. Auch hier bin ich einfach so so dankbar für dieses geniale Nass. Es ist ein Geschenk des Himmels.
Frisch geduscht chillen wir noch ein wenig und watscheln dann los Richtung Meer. Peter überrascht mich mit einem Fischrestaurant direkt am Meer. Sonnenuntergang garantiert.
Da wir den Rucksack bereits am Vorabend gepackt haben, geht es um 04h45 ratzifatzi und wir sind um 05h00 auf der Piste. Es ist dunkel, warm und doch frisch. Nichts – also fast nichts – ist zu hören. Nur das «Kikerikii» von wildgewordenen Hähnen. Und – einfach traumhaft – das Brechen der Wellen. Kein Mensch weit und breit. Ich wünsche ihnen, dass sie noch in ihren besten Träumen schwelgen.
Heute soll alles besser werden. Klare Zielangabe von Peter: Wir sind um 11 Uhr in unserer Herberge. Wenn wir nicht noch einmal von der Sonne in die Knie gezwungen werden möchten, dann führt an diesem Vorhaben kein Weg vorbei.
Nach wenigen Kilometern sehen wir in Küstennähe irgendetwas farbig blinken. Je näher wir kommen fügt sich dem Blinken ein tiefes Wummen hinzu. Aha. Es handelt sich wohl um eine JBL. Wir vermuten Teenager, die ihre Nacht um die Ohren geschlagen haben. Weit gefehlt. Es sind zwei Herren mittleren Alters. Aufgrund ihrer Hand- und Armbewegungen gehen wir davon aus, dass sie uns ausrauben wollten – natürlich im Spass. Verstanden haben wir rein gar nichts. Sie sind glücklich, wir sind glücklich und weiter geht’s!
Bei unserer ersten Pause, nach rund 12 Kilometern, erwacht der Tag, die Sonne zeigt sich und wir geniessen am Meer Wasser und Banane. Wieder führt der Weg kilometerlang auf diesen wunderbaren Holzstegen. Heute in der Spezialausführung «Sand». Viel Sand. Bin ich froh, sind das Ausnahmen. Wir kämen mit dem ganzen Gewicht nicht vom Fleck. Ganz zu schweigen vom möglichen Muskelkater. Zudem laufen die Schuhe mit Sand voll.
Unsere Tagesplanung läuft wie geschmiert. Nach einigen Kilometern führt uns der Weg an Varzim vorbei. Dutzende von Joggern allen Alters kreuzen unseren Weg – Portugal ist aktiv! Maskenträger gibt es hier fast keine – noch nicht. Die kommen später. Wir suchen vergeblich nach einem Café. Ganz anders wie auf der Francigena nach Rom öffnen die Kaffees hier erst so gegen 9 Uhr. Na ja. Das halten wir aus. Für den Notfall haben wir genug Wasser und Bananen dabei. In einem schönen Kaffee am Strand geniessen wir nach fast 9 Monaten Pause wieder einen Kaffee. Einfach ein Traum hier. Um uns herum erwacht die Stadt, denn nebst den Joggern sind jetzt auch viele Nichtjogger unterwegs. Diese tragen fast alle Maske. Aber es wird noch verrückter werden.
Bereits kurz nach 10 Uhr erreichen wir unsere Herberge. Um konkret zu sein, wir laufen sogar daran vorbei. Ich werte das als gutes Zeichen. Wir drehen um und sind flugs in einer schöne Herberge direkt am Meer. Wir brauchen etwas Hilfe, bis wir den Eingang finden, dafür belohnt uns die Gastgeberin damit, dass wir die Betten schon beziehen dürfen. Zwei glückliche Pilger mehr.
Ausgeruht und stolz suchen wir etwas zu Essen, was nicht ganz so einfach ist. Nicht dass es zu wenig Möglichkeiten hätte, aber es ist Wochenende und die aktiven Portugiesen essen mit ihren Familien und belegen die Strände zu Hunderten. Das mit der Maske wird hier etwas zu viel für mich. Am Strand, halbnackt, laufen Kinder und Erwachsene mit Masken herum. Sie kreuzen uns maskiert auf den Holzstegen, immer noch in Badehose und sie ziehen die Masken nur zum Essen oder Trinken aus. Der Staat hat dies nicht so verordnet, es ist nur eine Empfehlung. Und trotzdem tun sie es. Wir respektieren die Masken in den Innenräumen – ohne Wenn und Aber. Im Freien ist das Maskentragen aber so sinnbefreit. Manche Badegäste ziehen ihre Masken aus, wenn sie sehen, dass wir keine tragen. Immerhin ein Anfang.
Nach unserem kleinen Spaziergang durch die Stadt lernen wir Jordan kennen. Er strandet in der selben Herberge und während ich meine gewaschene Wäsche aufhänge, fragt er mich, ob Peter der Bruder von Jürgen Klopp ist. Mike von Holland ergänzt: «Oh yes, this ist Franz Klopp.» Es wird zu einem dieser Momente, die solche Wege eben ausmachen. Wir erfahren, dass Jordan einen Bestseller-Camino-Reiseführer geschrieben hat. Er macht den Camino Portugues und wird darüber sein zweites Buch schreiben. Wir werden so ganz unverhofft zu Interviewpartnern für sein neues Buch in einem herrlichen Mix aus Schweizerdeutsch und Englisch (was zum Teufel heisst eigentlich Torbogen auf Englisch?).
Ein perfekter Tag mit einer perfekten Planung wird heute Abend wohl zu einem perfekten Sonnenuntergang beim perfekten Fisch führen. Eigentlich ist alles perfekt – wenn man sich einfach nur darauf einlässt und dankbar dafür ist, was das Leben einem schenkt.
Bom Caminho!
Danke für s Mitnehmen. 👍😀
… die Schuhe voller Sand = mühsam 🤨😅
Wie wahr. Supermühsam. Und. Kräfteraubend.