Fernwanderungen Via Francigena

Tag 29 – Zirkus ganz ohne Eintrittskarte

Von Campagnano di Roma nach La Storta – 25,17 km

Unsere kleine 1-Zimmer-Wohnung hatte seinen Charme. Das Städtchen selber dafür weniger: Grau, kalt und irgendwie so düster. Wahrscheinlich liegt es an der Jahreszeit. In der Osteria haben wir unsere Pilgerfreunde aus Amerika wieder getroffen. Die haben beim Nachtessen so viel bestellt, als ob es morgen nichts mehr zu futtern gäbe. Unser Hunger ist klein, deshalb ein Salat, Pasta und finito.

Wir schlafen ziemlich gut, auch hier wird nicht geheizt und das bekommt unserem Schlaf. Als wir vor die Türe treten, glauben wir unseren Augen nicht – stahlblauer Himmel. Die Sonne lacht uns an als ob sie sagen wollte: „Jetzt aber hopp. Es wartet eine anspruchsvolle Etappe und morgen soll es der Petersdom sein.“

Wir laufen drauf los und halten schnurstracks in der nächsten Bar – Kaffee muss einfach sein. An uns läuft der italienische Pilger vorbei, der Herr, den wir in Vetralle zum ersten Mal gesehen haben. Seinen Namen wissen wir immer noch nicht, spätestens morgen werden wir das ändern.

Kaum sind wir aus Campagnano di Roma raus, könnte man noch einen Kilometer Umweg machen zu einem Platz mit Aussicht. Und was tun wir? Genau. Hochlaufen und staunen. Der Wind pfeifft uns kalt um die Ohren und leider kann ich auf Instagram keine Live-Schaltung machen, irgendwie spinnt grad die App. Die Aussicht ist phantastisch.

Etwa in der Hälfte der Strecke, in Formello, meldet sich unser Magen. Die Bananen sind ausgegangen. Die erste Bar gefällt mir gar nicht und aus Erfahrung wissen wir, dass es im Städtchen immer so hübsche kleine Kaffees gibt. Tja. In Formello eben nicht. Fürs Mittagessen ist es noch zu früh und so stampft Peter mit einer fröhlichen Schnute vor mir her und jammert, ich würde ihn verhungern lassen. Ach, wie liebe ich diese Leichtigkeit des Seins. So 10 Sekunden nach seinem fröhlichen Jammern passiert etwas, was Peter noch gar nie hatte. Eine Blase an seinem kleinen Zeh. Wir müssen kurz anhalten und weiter geht’s durch den Parco Naturale Regionale die Veio. Einfach schön und ruhig.

Ich bin erstaunt, dass so wenige Kilometer vor Rom so viel Natur ist. Aber eigentlich, wenn ich mir das so recht überlege, ist das sehr oft so. Egal. Mir gefällt’s und als wir fast am Ziel sind, haben wir noch das Erlebnis des Tages. Wie gesagt. Der Magen knurrt, knurrt immer noch und was sehen wir waseliwas? Genau. Ein Ristorante. Wir also nix wie los – Platz gefunden und dann geht der Zirkus los. Echt jetzt. So was haben wir noch gar nie nirgendwo erlebt. Zuerst läuft ER – wir nennen ihn einfach mal Patrone – 4 Mal an uns vorbei, bis er uns die Karte bringt. Dann läuft sie an uns vorbei – wir nennen sie einfach mal Chefin – sicher 2 Mal bis sie uns fragt, ob wir Wasser mit oder ohne Sprudel wollen. Wasser bringt man in Italien immer als Erstes. Richtig gut. Dann vergehen – gefühlt 5 Minuten und zwei Gläser kommen – ohne Wasser und das Besteck und das Brot mit Grissinis.

Eine gefühlte lange weile Lang passiert gar nichts, ausser das wir ausgelesen haben, was wir nun wollen. Patrone ist sicher bereits wieder 4 Mal an uns vorbeigelaufen und hat jedes Mal gerufen “Si un momento” und zack war er wieder weg. Dann kam sie und fragte, was wir möchten:

1 x Insalata Calabrese
1 x Fettucine Ragù
1 x Fettucine Pomodori Balsamico
1 x mezzo litro Vino die Casa Rosso

Wir sind erleichtert – jetzt geht’s los. 20 Sekunden später kommt Patrone und will die Bestellung aufnehmen. Aber hoppla. Jetzt meinen sie es aber Ernst. Als erstes kommt der Salat. Ohne Balsamico – egal, wir haben Hunger, runter damit. Der Wein ist noch nicht da, auch egal, das Wasser steht inzwischen schon vor uns.

Etwas später kommt die Pasta und ich habe mein Besteck nicht, weil Chefin es mit dem Salat mitgenommen hat. Peter und ich teilen uns seine Gabel – aus Erfahrung könnte es etwas länger dauern. Zwei Minuten später ist die Gabel da UND der Wein, ABER keine Gläser für den Wein. Mist ab er auch. Chefin muss nochmals laufen. Wieder ein paar Minuten später, die Pasta ist schon fast weggefuttert, kommen die Gläser für den Wein. Chefin springt weg, Peter schenkt ein und wieder zurück in die Karrafe. Er zeigt mir, das ist kein mezzo litro. Das ist maximal ein Vierteli. Egal.

Eigentlich hätten wir Lust auf einen Espresso – aber die Frage ist, wann würde dieser kommen und ist es wirklich ein Espresso? Wir lassen es, bezahlen und freuen uns über diese Zirkusvorstellung inklusive Verpflegung. Fast wie Salto Natale.

Zum Hotel sind es nur noch wenige Minuten. Wir haben uns etwas Einfaches ausgesucht, das Ostello ist geschlossen. Auch wenn das Hotel einfach ist, es hat eine Dusche, die sauber ist und einwandfrei funktioniert – UND – genau, es kommt warmes, heisses Wasser.

Sodeli. Jetzt gibt es nicht mehr viel zu tun. Chillen, Route für morgen ist klar, irgendwo eine Pizza essen gehen (das hatten wir noch nie bis jetzt) und dann ab ins Bett. Wir möchten so um 07h30 los und am Mittag ankommen. Das Wetter ist perfekt – Sonne, keine Wolken, 20° Celsius.

Rom, wir kommen!


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