Von Monteriggione nach Siena – 22,15 km
Das Nachtessen war an diesem Touristen-Hotspot – sagen wir mal – na ja. Wer fein essen will, braucht also wirklich nicht an einen solchen Ort zu gehen. Der Kaffee am nächsten Morgen hat die Sache dann bestätigt. Noch nie haben wir diese ganzen Tage auch nur 1 x einen Pfui-Kaffee getrunken. Hier schon und er kostete erst noch mehr.
Die Nacht war der Horror für mich. Die Herberge ist in einem alten Gemäuer untergebracht. In unserem Zimmer sah man 4 grosse fette Holzbalken an der Decke. Soweit so gut. Eine Art Rascheln erweckte meine Aufmerksamkeit. Peter hört mit seinem Tinitus nicht alles und das zum Glück auch nicht. Es muss eine Art Holzwurm sein, der die ganze Zeit gemampft hat. Meine Hoffnung lag darin, dass ich so müde bin, dass ich ihn dann nicht mehr höre, oder, dass er genug gefressen hat und auch müde ist und es still wird. Beides komplett falsch gedacht. Dieses “Raschel-Mampf-Geräusch” machte mich fertig und Peter verfiel in seinen 60-Sekunden-Koma-Schlaf. Irgendwann fielen mir dann meine Augen schon zu, aber mein Ohren hörten ihn die ganze lange Nacht und hatten das Bedürfnis, mir dies immer wieder mitzuteilen: „Claudia? Hörst du dieses komische Geräusch? Was ist das? Und warum kommt es immer näher? Könnte dieses Ding auch aufs Bett fallen? Und wenn ja, was passiert dann?“ Ich weiss mit absoluter Sicherheit, dass dies alles blöd ist von mir – aber so war es nun mal.
Unser Tagesziel ist Siena und es sind “nur” etwas über 20 km. Der Morgen ist noch sehr stürmisch und regnerisch. Diese beiden Aspekte bestärken uns darin, später aufzubrechen. Es wird 9 Uhr, bis wir losmarschieren.
Mein Oberschenkel Aussenmuskel (Laufmuskel) tut die ersten Minuten höllisch weh. Nicht mehr so sehr wie gestern, aber die ersten Meter laufe ich wie auf Eiern. Das heutige Höhenprofil verrät, dass es sehr bald schon wieder steil aufwärts gehen wird. Das ist gut für diesen Muskel. Er wird dann warm und zickt nicht mehr. Nach Rom sind es noch knapp 300 km, Wahnsinn, oder?
Der heutige Weg findet irgendwie nicht den Platz in meinem Herzen. Es gibt fantastische Abschnitte und dann gibt es wieder Teilstrecken, die einfach nur “wäh” sind. Wege über offene Felder auf nassem, sandigem, lehmigem Boden, der auch noch auf eine Seite leicht abfallend ist. Das ist furchtbar zum Laufen.
Auf der anderen Seite verbringen wir viele viele Meter in Eichenwäldern. Alles ist voll mit Eicheln und Blättern in allen Farben. Phantastisch.
Einen anderen längeren Abschnitt laufen wir durch einen Kastanienwald. Wäre das nicht die Via Francigena, ich würde hier mal ganz ordentlich sammeln und dann ausprobieren, ob die Dinger was taugen. Peter kennt mich gut und überreicht mir mit einem Lächeln eine Kastanie, die er für mich aufgehoben hat.
Siena zu erreichen ist wie ein nie enden wollendes Vorspiel. Das wird irgendwann einfach öde und in unserem Fall wird diese Vorfreude durch drei wirklich heftigste Aufstiege geschmälert. Oder sagen wir, in die Ermüdung getrieben. Nach dem 2. heftigen Aufstieg gaben wir uns schon siegessicher und posierten fröhlich vor der Ortstafel. Hoffentlich hat uns niemand beobachtet. Diese Person hätte sich sonst sicherlich kaputt gelacht, weil nicht mal 100 Meter weiter ums Eck der letzte und heftigste Aufstieg kam. Wir wären nicht die Schiffis’, wenn wir nicht auch das souverän und mit Spass geschafft hätten.
Apropos Schiffis. So auf halber Strecke nach Siena verwundern wir uns, weshalb wir einen happigen Aufstieg hatten, der ja gar nicht auf unserer App vermerkt war. Also – App checken – und staunen. Wir sind vom Weg abgekommen. Wir haben eine “Variante” gewählt, die in die Höhe geht. Wer sagt es denn, man könnte es einfach haben, aber die Schiffis’, die machen es sich gerne schwer(er). Der Spass fehlt aber nie und so erleben wir auf diesem Streckenabschnitt ganz unglaubliche Dinge wie zum Beispiel einen kurzen “Strandwanderweg” oder “Traumpfütze”, die nur verschont bleibt, weil wir nicht wissen, ob wir heute Abend Wäsche waschen können.
Vor vielen, vielen Jahren war ich als junge Frau in Siena. Was ich nicht mehr in Erinnerung habe ist dieser ewig scheinende Weg, bis man endlich an der Piazza del Campo ist. Es kann natürlich auch sein, dass die 20 km in unseren Beinen und Füssen ebenfalls etwas müde waren, oder – und das ist mein persönlicher Tipp – ich glaube es ist das Bier, welches wir eingangs Siena herunter gestürzt haben, als ob es nie mehr ein Bier geben würde.
Direkt beim Dom ist die Herberge – leider geschlossen. Wir schnappen unser Handy, öffnen “booking.com” und 2 Minuten später haben wir ein wunderschönes B&B-Zimmer auch direkt beim Dom. 71 Franken, da kann man nichts sagen, oder?
Das Zimmer ist super schön, sehr gepflegt, die Dusche heiss. Danach Blog machen und hopp in die Stadt. Srini hat mir den Tipp gegeben, dass ich eine “Panforte die Siena” kaufen muss. UNBEDINGT! Dann werde ich das mal tun, damit ich auch weiss, warum er davon sooooooo schwärmt.
Heute Abend werden wir noch die weitere Planung besprechen. Wer weiss, vielleicht kann ich meinen Göttergatten dazu überreden, dass wir in dieser schönen Stadt einen Kulturtag einlegen. Drückt mir die Daumen.
Buon Cammino.