Fernwanderungen Via Francigena

Tag 8 – Manchmal ist Italien seltsam

Von Fiorenziola nach Fidenza – 24,02 km

Irgendwie werde ich aus der “Duweisstschonwasichmeine-Politik” hier nicht schlau. Viele Geschäfte, Hotels, Restaurant oder Unterkünfte sind zwar offen, aber unsere geliebten Pilgerherbergen haben mehrheitlich geschlossen. Wir suchen uns wenn immer möglich ganz einfache Unterkünfte. So auch gestern Abend in Fiorenziola und stossen so auf Mathis. Mathis ist ein Typ, so ein Mix aus Künstler und Handwerker, dem man ansieht, dass er das kann, was er tut. Wir haben ein Zimmer in einem seiner Hotels gebucht, das er geradere renoviert. Eigentlich ist es also geschlossen, aber fürs Schlafen doch offen. Zu essen gibt es in seinem Albergo und das heisst wie er, eben Mathis. Das Restaurant hat Style. Wir essen wie die Götter in Rom – nicht so viel – aber unglaublich fein. Einfach herrlich. Und Matthis? Er war am Abend auch noch Kellner und Gastgeber.

Das Hotel von Mathis war wohl eher die Sommermonate durch gebucht. Die Einrichtung ist noch auf Sommer ausgerichtet, d.h. wir haben nur einfache Sommerdecken (konkret ein weisses, dünnes Leintuch). Wir frieren während der Nacht und sind froh, als es hell wird und wir loslaufen können. Ich weiss, der Schlafsack hätte auch helfen können, aber ich war zu müde um aufzustehen.

Heute haben wir noch eine Flachland-Etappe vor uns, etwas mehr als 20 km. Mein persönlicher Podologe schaut noch meine Füsse an, setzt die letzten Pflaster an und hopp geht’s los.

Es sind immer die ersten 20 – 30 Minuten die etwas mühsam sind. Die Füsse quengeln, wollen eigentlich lieber nix tun und merken dann, dass sie gebraucht werden.

Der Weg führt uns einmal mehr an Feldern vorbei, die jetzt neu bestellt werden. Eine Gruppe von Radfahrern überholt uns auf einer dieser endlosen Nebenstrassen. Der erste ruft uns laut zu: «Buen Camino»! Dann kommt der zweite: «Buen Camino!» Der Dritte, der Vierte, der Fünfte, der Sechste. Keine Ahnung warum, mein Körper ist nur noch Gänsehaut von oben bis unten. Es berührt mich, warum weiss ich nicht.

Gestern im Restaurant von Matthis haben wir zwei andere Pilger gesehen. Wahrscheinlich sogar Schweizer. Aber irgendwie sind wir Schweizer sehr seltsam. Statt dass wir uns unterhalten hätten, haben wir die Distanz gesucht. So blöd.

Nach 6 km schalten wir in Chiaravalle della Colomba eine Pause ein. Zwei wunderbare Kaffees und zwei Croissants – alles für 4 Euro. Die Freude vergeht uns leider zu schnell, weil eine kleine Armee von Wespen und unbedingt ihren Teil abhaben wollen.

Ich muss noch kurz aufs Klo und glaube meinen Augen nicht. Da gibt es tatsächlich noch Steh-Toiletten. Ich werde bei dieser Sache nicht schlau und frage mich, wie man freiwillig so was stehen lässt (interessantes Wortspiel). Dabei kommt mir in den Sinn, dass ich gestern schon eine ziemlich skurrile Toiletten-Situation vorgefunden habe. Keine Angst. Es bleibt jugendfrei. Da konnte ich zwar sitzen – ABER – mir gegenüber war direkt ein Spiegel an der Wand montiert. Aber hallo? Wer will sich selber beim Scheissen zusehen? Also ich nicht.

Auf den endlosen Wegen an endlosen Felder besuchten wie Kirchen, bestaunten Gebäude zur Aufbewahrung von Stroh und kreuzten wohl ein Haus von Freidenkern. Direkt bei diesem Haus sehen wir zwei Ratten – so gross wie – keine Ahnung – ähm – so gross wie Chihuahuas’. Mindestens. Das Staunen über diese Riesendinger war so gross, dass wir glatt den Stempel übersehen haben. Erst bei der Sichtung der Fotos haben wir dies entdeckt. Wie schade.

Es war schon Mittag, als wir in Castione Marchesi Gnocchi mit Nuss und Gorgonzola zu Mittag serviert bekommen. Madonna mia. Wie himmlisch gut ist das denn? Kulinarisch ist dieser Pilgerweg um Welten den Caminos in Spanien voraus.

Der Weg zieht sich heute in die Länge. Ich freue mich richtig auf mehr Auf’s und Ab’s. Parallel bin ich aber sehr sehr dankbar dafür, dass es so gut funktioniert mit meinen Füssen.

Morgen werden es wieder über 30 km sein. Heute haben wir etwas mehr als 20 km geschafft und es geht mir wirklich gut. Ich bin zuversichtlich für morgen. “Schau, dort geht es hin”, sagt Peter und zeigt auf den Hügel, der weit, weit weg zu sein scheint.

In Fidenza angekommen, suchen wir die Herberge – leider geschlossen – und landen zuerst in einem italienischen Restaurant. Es ist voll und just neben uns sitzt ein Mann, der die Via Francigena populärer machen will. Er kennt die Caminos in Spanien und findet, dass man hier in Italien viel mehr draus machen könnte und sollte. Wir bekräftigen ihn in seinem Vorhaben. Es ist eine hervorragende Idee, zumal auf dem populären Camino (Spanien) pro Jahr 300’000 Pilger unterwegs sind und nach Rom sind es nur 2’000 Pilgerinnen und Pilger.

Jetzt sitzen wir in einem einfachen Zimmer in einem Albergo, haben das heisse Duschen über alles genossen und warten darauf, dass das Ristorante aufschliesst. Ab 19h30 gibt es warmes Essen. Wir freuen uns sehr darauf.

En Guete und gute Nacht.


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