Fernwanderungen Via Francigena

Tag 7 – Ein Mann. Ein Wort.

Von Vercelli nach Robbio, 19,1 km und mit dem Zug nach Fiorenzuola

Das Abendessen gestern im Ostello war ein Hit. Zuerst servierte und Silvia einen Risotto vegetale. Dieser war aber alles andere als gewöhnlich, denn Silvia hat Limone reingeschnipselt. Das werde ich zu Hause unbedingt ausprobieren.

Nach dem Risotto dürfen wir einen herzhaften Salat geniessen mit Rüebli, Fenchel und Grünzeugs. Wir sind schon fast pappvoll, als uns eine Omelette mit Cipolle anstrahlt. Silvia ist nicht nur herzliche Gastgeberin, sie kocht auch wunderbar.

Wir sind zu fünft am Tisch. Ein ziemlich naturbelassenes Paar sitzt am Tisch. Sie ist aus Rom, er aus Brasilien (nähere Angaben fehlen). Sie wollen nach Santiago de Compostela. Im Juli starteten sie in Rom (ca. 800 km). Hoppla. Das ist schon lange her. Sie wollen Ende November in Santiago de Compostela sein (ca. 1’900 km). Hoppla. Das ist aber bald. Krass an ihrem Vorhaben ist, dass sie mehrheitlich im Zelt schlafen wollen. Hoppla. Es ist ja nicht mehr Sommer.

2 Mal bin ich diese Nacht aufgewacht und hab es fast nicht gewagt, mich zu bewegen. Mein Bett – besser gesagt – dieses Metallgestell mit Minimatratze – hat unter meinen Bewegungen laut geächzt. Dazwischen habe ich aber tief und fest geschlafen und irgendwie war heute die Nacht der aufzuräumenden Träume. Gut so.

Silvia serviert uns vor dem Start noch einen Kaffee und Tee und ab gehts quer durch die Po-Ebene.

Nach 10km ist mir klar, warum diese Ebene so heisst. Hier ist man ja wirklich am Arsch der Welt. Nur Reis, Reis, Reis, kein Baum, keine Bank, nur Steine, Steine, Steine.

Die Morgenstimmung macht sehr vieles gut für ein paar schöne Bilder. Immerhin. Aber hey. Es heisst ja auch pilgern und nicht Spass haben.

Meine kleine Zehe macht ihren Job ganz gut. Ich freue mich auf die Tage, wo nix weh tut an irgend einem Teil der Füsse.

Mir fällt auf, dass es in den Dörfern oder Städten überall so frisch duftet. Diese Erkenntnis teile ich mit Peter. Lächelnd meint er nur: «Ist ja logisch. Schau nach oben. Da hängt überall frisch gewaschene Wäsche.» Herrjeh. Manchmal zweifle ich an mir. Nur weil ich das nicht kenne aus meiner Umgebung komme ich spontan nicht selber auf die Idee.

In den Reisfeldern entdecken wir Männer mit orangen Caps. Es sind Jäger. Peter macht uns sichtbar und ruft: «Wir sind Pilger, keine Hasen!» (auf italienisch natürlich). Ich weiss nicht, ob sie uns wirklich verstanden haben – aber – wir leben noch und das ist ja ein gutes Zeichen.

Irgend so ein Jagdhund hüpft wie ein Springbock im Reisfeld herum. Er trägt eine kleine Glocke um den Hals. Wenn der Weg nicht so verd….. mühsam wäre mit diesen blöden runden Steinen, ich würde lachen.

Das Tagesziel Robbio erreichen wir gut und zügig. Wieder eine wunderschöne Kirche. Davon gibt es so viele hier. Wahnsinn. Woher wohl das Geld für den Unterhalt kommt ….

Peter und ich müssen nun entscheiden, wie es mit unserem Weg nach Rom weitergeht. Unser ursprünglicher Plan, den Camino Frances, von Saint-Jean-Pied-de-Port nach Santiago des Compostela, konnten wir nicht machen, weil Spanien auf dieser ‚duweisstschonwasichmeine‘-Liste ist. Darum haben wir die «Via Francigena» nach Rom gewählt. ABER. Dieser Weg ist rund 200 km länger. Uns war von Anfang an klar, dass wir die eine Busstrecke oder andere Zuglinie beanspruchen müssen, um Rom zu erreichen. 

Peter macht, was er (auch) richtig gut kann (ja Lilian, das auch noch) und plant. Rom als Ziel ist ein Muss. Uns fehlt aber definitiv eine Woche Zeit. Ganz in seiner Tatkraft entscheidet er, dass wir die Po-Ebene opfern. Ich bin ja sooooooooo traurig. *frechgrins*

In einer Bar in Robbio laden wir uns die App ‚Trainline‘ runter und sind innert Minutenfrist stolze Besitzer von 2 Tickets nach Fiorenzuola. Diese Stadt liegt zwei Etappen vor dem Aufstieg in die Toskana. 

Es braucht ein paar Minuten, bis wir es beide gut finden. Unsere Absicht war klar – nach Rom laufen. Doch wir müssen auch realistisch sein – 5 Wochen für diesen Weg reicht einfach nicht.

Nun sitzen wir hier in Fiorenzuola d’Arda. Wir haben sooooo Bock, diesen Weg zu machen, die Toskana zu erleben, das Meer zu sehen, in Rom einzulaufen. Das sind ja noch stolze 600 km. Zuerst stärken wir uns jetzt, schlafen tief und morgen, morgen ist ein neuer Tag. Nochmals eine Etappe im Flachland, bevor es dann in die Berge hinauf geht.

Buen camino.


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