Von Gignod nach Champagne – 27,74 km
Was für ein Schlaf. Tief, fest wunderbar – einfach himmlisch. Um 7 Uhr starten wir in Gignod und zack – es geht abwärts. Es fehlen noch ein paar Hundert Höhenmeter nach Aosta. In einem Führer habe ich gelesen, dass die Oberschenkel trainiert werden. Der Reiseführer wird Recht behalten.
Der heutige Wandertag ist einer jener Tage, an welchem man die Meter «abspulen» muss. Kurz vor Aosta kaufen wir Bananen, Schokolade und Wasser – nicht noch einmal wie gestern. Den grössten Teil laufen wir auf Asphalt, es nieselt, kein Mensch begegnet uns. Peter hat mir versprochen, dass ab jetzt die Pilgerstätten kommen und wir bis nach «Irgendetwas mit C» wollen. Das sei kein Problem, es gehe nur 1 x heftig aufwärts.
Wer meinen Blog vom Camino Primitivo gelesen hat, weiss, wie sehr ich es hasse, wenn solche Aussagen nicht stimmen. Was soll ich sagen? Ich war wieder ganz «Camino Primitivo». Immer wieder waren da so bissige Auf- und Abstiege. Verteilt auf wenige Meter – brutal für die Füsse und die Oberschenkel. Das einzige, was mich vom Fluchen abhält ist zu sehen, dass Peter auch leidet. In meinem Kopf geht ein richtiger Affenzirkus los. Von «Was soll der Scheiss» bis «Er kann ja auch nichts dafür» – alles ist dabei in allen Varianten und Bosheiten.
Ich zwinge mich dazu, Schritte zu zählen: Nur die geraden Zahlen, nur die ungeraden, nur in Vierer-Reihen, nur eine Minute lang – mit Erfolg. Der Zoo im Kopf wird leise und weicht der Vorfreude auf ein Bett, etwas Entspannung und ein gutes Essen. Am Wegesrand finden wir immer wieder schöne Sachen wie Trauben und sehr gut erhalte Steinhäuser. Eine willkommene “Ablenkung”.
Die kleinen Pausen mit und ohne Banane tun mir gut. Wir beschliessen, in Champagne Halt zu machen. Bis nach Chatillon (der Ort mit C) ist für unsere Beine heute zu weit. Im Hotel Cristina finden wir ein Bett, eine super warme Dusche und Zeit fürs Ausruhen. Mit dem Laptop auf den Oberschenkeln warten wir auf die Öffnung des Ristorante um 19h30. Genau dann werden wir die Ersten sein, die Pasta bestellen. Das heutige Highlight war nicht der Weg. Es war der Moment als ihn realisiert habe – diesen Duft.
Es ist «mein» Duft. Ich weiss nicht warum, aber es macht etwas in und mit mir. Wir kommen um die Kurve, vielleicht noch 20 Meter entfernt und dann sehe ich ihn – einen riesengrossen Jasmin-Baum, voller Blüten – mit eben diesem betörenden Duft, den ich ganz fest in meinen Erinnerungen abgespeichert habe.
Vielen Dank, Claudia, für diesen schönen Blog. Ich habe leider nie einen solch langen Fussmarsch unternommen (und ihr seit ja erst am Anfang). Habe aber früher mit meinem Schwager Tagestouren auf einige Berge im Toggenburg unternommen, die auch gewaltig in die Unter- und Oberschenkel giengen. Das Schönste war dann jeweils, sich am Abend ins Bett zu legen, den Körper ganz lang zu strecken und zu spüren, wie sich die Muskeln langsam wieder entspannen. Wünsche euch viel Vergnügen an der weiteren Tour, auch wenn es sicher ein Knochenjob werden wird. Herzhaft Fluchen hilft, aber sich bei einer Pause in die Arme zu nehmen und über Schwächen zu Lachen, hilft auch, sogar noch besser. Freue mich schon auf Deine weiteren Beiträge. Viel Spass und Durchhaltevermögen, Gruss Güner