Die Herberge letzte Nacht war gar nicht mein Ding. Es ist alles so auf Massentourismus getrimmt – das liegt mir einfach nicht. Irgendwie habe ich auch das Gefühl, in allen Köpfen steht nur noch Santiago, Santiago, Santiago. Dabei ist der Weg, jeder Meter BIS Santiago, ein Teil des Weges. Und auf diesen werde ich mich bei der 12. Etappe ganz speziell einlassen.



Da wir nur 20 km bis zur letzten Herberge VOR Santiago haben, wird es ein lockerer Marsch für uns werden. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen werde. Aus diesem Grund haben wir am heutigen Morgen alle losmarschieren lassen und waren dann auch tatsächlich die Letzten, welche das stattliche Haus verliessen.
Bis auf den inneren Kern von Lugo haben die Städte am Camino Primitivo nichts wirklich Schönes an sich. Irgendwie schade. Aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens – äh sorry – Pilgeraufkommens – muss man sich nicht auf den Weg konzentrieren – follow the crowd – ist ab jetzt das Motto. Der Weg ist auch nicht mehr anspruchsvoll, denn 10’000de von Pilgern planieren den Weg und es geht nur noch schwach bergauf und schwach bergab. Besser formuliert wäre hügeliuf und hügeliab. So haben wir schön Zeit, die letzten Tage Revue passieren zu lassen.

Was wir unbedingt wieder mitnehmen würden sind diese Compeed-Pflaster und ein Tape. Diese verhindert nämlich, dass überhaupt Blasen entstehen. Den super kleinen und leichten Schlafsack (400 gr) würden wir auch nicht mehr hergeben. Was wir da zum Teil auf den Rücken der Pilger gesehen haben, sah eher aus wie ein Zelt denn wie ein Schlafsack. Wir haben manchmal der Versuchung widerstehen müssen, ihnen unseren zu zeigen (nicht grösser als ein Halbpfünderli). Was wir das nächste Mal sicher mitnehmen werden ist ein Longsleeve. Entweder sind wir glücklich, wenn wir es brauchen können oder wir sind glücklich, dass wir es nicht gebraucht haben. Eine richtige Win-Win-Situation sozusagen. Ach ja und ich würde noch Flip-Flops mitnehmen. Eine Abwechslung zu geschlossenen Schuhen einfach.
Knapp 0,5 % aller Pilger, welches jedes Jahr nach Santiago de Compostela kommen, sind aus der Schweiz. Das waren im Jahr 2018 1’615 Pilgerinnen und Pilger. Von den über 320’000 Pilgern total haben nur rund 4,5 % den Camino Primitivo gemacht. Kein Wunder also, haben wir stundenlang niemanden gesehen. Und von allen Pilgern sind im Jahr 2018 nur 2,69 % von Oviedo aus gestartet, also die Stadt, welche auch unser Ausgangspunkt war. Wir sind Schweizer Pilger, was auf die Schweizer Bevölkerung weniger als 0,02 % ausmacht. Wahnsinn.


Morgen ist es also soweit. Ich werde die letzten 20 Kilometer in Angriff nehmen und in Santiago de Compostela ankommen. Der Himmel meint es gut mit uns. Von all unseren Tagen soll dies der Wärmste werden. Das wäre ja ein richtiges Geschenk an uns. Danke.
Ich bin sehr gespannt darauf, was es mit mir macht. Wir haben dann 335 km in den Füssen, bei jedem Wetter. Schritt für Schritt. Tag für Tag. Aufwärts und Abwärts. Irgendwie bin ich traurig, dass es morgen schon zu Ende sein soll. Irgendwie würde ich gerne noch weiter und weiter und weiter gehen. Und auf der anderen Seite kann ich das ja auch. Es braucht eigentlich keinen Camino de Santiago. Jeder Tag in unserem Leben ist ein Weg – unser camino. Wir sind uns dessen vielleicht gar nicht so bewusst. Ich werde auf jeden Fall das Wandern morgen geniessen – jeden Schritt. Ganz egal wie viele Amerikaner, Deutsche oder Chinesen ihn auch gehen werden. Es wird MEIN Weg sein zu unserem Ziel. Ich bin nervös, gespannt und habe Respekt vor den Emotionen, die da kommen werden. Da bin ich mir sicher.
Buen Camino
Ganz lieben Dank für deine «Camino»-Geschichten, Claudia … ich geniesse es, über eure spannenden Eindrücke und Erlebnissen lesen zu dürfen! 😊
Liebe Nicoletta. Von ❤️ gerne. LG Claudia