Die Pilgerherberge in La Mesa ist nigelnagelneu und randvoll. Ungewöhnlich, weil die Tage zuvor alles halb leer war. Wir gehen mal davon aus, dass es mit dem Pfingstwochenende zu tun hat. Diese Erkenntnis rettet später noch unsere Füsse.
Ich kann nicht sehr gut einschlafen, bin irgendwie unruhig. Mit jeder Minute wird es dunkler und die Betten füllen sich. Pilger sind leise, wenn es dunkel wird und schleichen sich in ihre Betten. Ich stelle zum ersten Mal bewusst fest, dass all die Geräusche sehr sinnlich sind. Das Rascheln der Plastiksäckchen, in welchen sie ihre Wertsachen aufbewahren. Oder das Rumwuseln im Necessaire. Heranschleichende Menschen in ihren Badelatschen, sanft und weich. Das Zurren des Reisverschlusses eines Schlafsackes. Das entfernte Blättern in einem Buch. Diese Geräusche sollte man konservieren können und ich verstehe zum ersten Mal, weshalb ASMR-Videos so im Trend sind. Es kribbelt tatsächlich und meine Sinne sind stimuliert. Es geht nicht lange und ich schlafe tief und fest.
In der Zwischenzeit bin ich mit dem Morgenritual vertraut. Es lautet: alles so leise wie möglich schnappen und ausserhalb des Schlafraumes fertig packen und fertig anziehen. Dies bedingt, dass am Vorabend die Sachen parat liegen und alles, was man nicht braucht, verstaut ist. Auch das habe ich voll im Griff – ich bin halt schon eine richtige Pilgram.
Es geht – wen wundert’s schon wieder steil bergauf. Dies erinnert mich daran, dass ich diese Nacht erwacht bin. Irgendein Typ hat im Nebenzimmer dermassen geschnarcht – so was habe ich ja noch nie gehört. Ich weiss nicht, ob ich mit jemandem zusammen sein könnte, der die erträgliche Dezibelgrenze täglich überschreitet.
Diese Gedanken lenken mich davon ab, dass es immer noch aufwärts geht, dass es immer noch kalt ist und dass wir immer noch keinen Sonnenschein haben. Was soll’s. Vorwärts und auf geht’s.
Der Weg führt uns zuerst hinauf (steil natürlich), dann wieder 800 Meter runter (steil natürlich) zum Stausee und – richtig geraten – wieder rauf (steil natürlich) in Richtung Castro. Auf halber Strassenstrecke wechsle ich die Schuhe, denn mit Sneakers geht es besser auf der Strasse.
Falsch gedacht – mein erster mächtiger Frust holt mich gnadenlos ein. Ich sehe nur noch, dass es bergauf geht, verfluche jede Steigung, jeden Schmerz, einfach alles. Ich schimpfe wie ein Rohrspatz. Nur jeder 20. Satz verlässt meinen Mund – aber mein Mann merkt trotzdem, dass ich keinen Bock habe. WARUM bloss mache ich das? Ich könnte auf den Malediven sein, tauchen, chillen und die Wärme geniessen. Sein Trick mit der Schokolade hilft ….. Mir geht es wieder prima.
Den restlichen Weg zu unserer wunderbaren Unterkunft geniessen wir. Es geht nämlich nur noch “unsteil” voran *haha*. In weiser Voraussicht hat Peter gestern zwei Betten für uns reserviert. Es stellt sich heraus, dass dies eine glückliche Fügung ist. Auch diese Unterkunft ist ausgebucht und die nächste wäre 17 km weiter. Uff nochmals Glück gehabt.
Buen Camino