Auch diese Nacht hat mir eine neue Erfahrung geschenkt. Wenn man schon Ohrstöpsel dabeihat, sollten sie auch parat sein. Denn – Rumwuseln ist unhöflich und nicht des Pilgers würdig. Leider hatte ich sie eben nicht parat und anständig wie immer, versuchte ich nun vergeblich, meine Finger in die Ohren zu stecken. Dies gelang mir natürlich nur so lange, bis ich wieder einnickte und zack – hörte ihn wieder – diesen kalten, bissigen Wind, wie er durch jede Ritze in der Herberge seinen Weg suchte.
Der Start in unsere nächste Etappe ist also nicht gerade verheissungsvoll. Zudem ist es bissig kalt. Wir ziehen beide Jacken an und frieren immer noch. Hätten wir doch nur – aber ja, damit hat niemand gerechnet. Auf dem Camino Primitivo ist die Tourismusauslastung nicht ausgereizt, das heisst, wenn man hin und wieder mal etwas findet, was man kaufen könnte, freut man sich darüber. Darum gelang es uns auch nicht, einen wärmenden Sweater oder ähnliches zu finden. Wir müssen da einfach durch. Punkt.
Vor einigen Jahren habe ich für mich entschieden, dass ich ein Glückskind bin. Dieses commitment führt tatsächlich dazu, dass man – eben – Glück hat. Glück in unserem Fall heute heisst nicht, dass wir 24 Grad Celsius bei stahlblauem Himmel hatten – nein – es bedeutete, dass es zwar regnete, aber nicht stürmte. Dass wir zwar Gegenwind hatten, aber keinen Orkan. Halt einfach Glück. Nichtsdestotrotz bejubeln wir dieses unscheinbare Café (am Rande der Welt) und wärmen uns an einer Tasse Kaffee und Tortillas.
Der Blick nach draussen ist wenig verheissungsvoll und Peter überdenkt unsere Camino-Pläne. Jetzt noch weitere 20 km zu laufen mit diesem Gegenwind – keine gute Idee. Auf unserer Camino-App schauen wir nach, wo die nächste Unterkunft zu finden ist und entscheiden uns für ein Hotel. Eine Badewanne muss her. Über die App lässt sich die Hotel-Webseite nicht öffnen. Während mein Mann noch ein Gespräch führt, suche ich über booking.com dieses Hotel und stelle mit Schrecken fest – es ist ausgebucht (kein Wunder!). Ich sage ihm das und was passiert einem Glückskind in einem solchen Fall? Genau. Die «abuela» des Cafés versteht irgendeinen Brocken und ein Schwall von Hilfsbereitschaft reserviert uns flucks ein Hotelzimmer.
Die letzten 5 Kilometer im strömenden Regen und kaltem Gegenwind verschönern wir uns mit fröhlich sein, singen und pfeifen – und der Vorfreude auf ein warmes Bad. Zum Glück haben wir uns für diesen Weg entschieden. Eigentlich wollten wir die «Ruta de Hospitales» nehmen. Dies hätte uns über den höchsten Berg der Region geführt. Keine gute Idee bei Null Sicht und Schneeregen.
Buen Camino